Kommentar zum Katalog der Gefühle 2: Urschmerz 1


Teil 2: Urschmerz 1: Erstickungs-Tod – Urschmerz – Lebens-Atem (Liebe)

(Siehe dazu auch den Text “Todesnähe und Tod, Hoffnung und Angst”: Todesnähe – zwei Träume)

Das ist die Geschichte der Entwicklung in einer sog. Stunde der Tiefenwahrheit. 

Aus einem diffusen, hier nicht weiter dokumentierten Gefühl der Leblosigkeit führt diese Entwicklung in einem ersten Abschnitt der Vertiefung zunächst in ein Erleben des Todes samt Ankunft im Himmel.

In der weiteren Vertiefung lernen wir den Grund für Leblosigkeit und Sterben kennen – der Schmerz des Erstickens. 

Dieser Schmerz ist – bei Nicht-Tröstung und sofortiger Verschmerzung – überwältigend, wird aus diesem Grunde Ur-Schmerz genannt und führt zur Selbst-Abtötung. Diese kann man Jahrzehnte später rückgängig machen.

Dieses Rückgängig-Machen vollzieht sich in besagter Stunde der Tiefenwahrheit in einem mehrmaligen, zeitlich ausgedehnten Wechsel aus Ur-Schmerz und Ver-Verschmerzung und und führt schließlich zur Ankunft auf Erden und in der wirklichen, jetzt lebendigen Person (eine Art Wiedergeburt, die aber eigentlich die vollständige Geburt ist, die erst jetzt abgeschlossen wird). 

(Diese Entwicklung der  Wiederbelebung findet nicht in einer, sondern insgesamt in sehr vielen Stunden der Tiefenwahrheit statt. Das Prinzip kann aber an einer einzelnen dargestellt werden. Qualität und Intensität nehmen aber mit der Zeit zu – das wird in den Videos, in denen Stunden der Tiefenwahrheit aus verschiedenen Zeiten verglichen werden, gezeigt.)

Der Urschmerz kommt – vergleichbar den Wehen – immer wieder in Wellen, wobei er immer elementarer und reiner wird. Eine “Stunde” der Tiefenwahrheit kann sehr lange dauern, im vorliegenden Falle dauert sie zwei Stunden – hier kondensiert auf acht Minuten. Der Fundus an Urschmerz im modernen Menschen ist schier unerschöpflich. 

A: Bin total allein, sterbe vor mich hin 

Ich nehme mich sterbend wahr. Die Szenerie könnte unmittelbar nach meiner Geburt stattfinden und auf die Geburt selbst zurückgehen: Ich liege zunächst völlig alleine gelassen in einem kalten, aseptischen Raum. Ein Neugeborenes nimmt vielleicht Kacheln wahr, hat aber noch keinen Fleischer und kein Hackfleisch gesehen. – Die Bilder aus dem späteren Leben werden rückwärts verwendet. 

B: Ich gehe in den Himmel ein

Ich sterbe und gehe in den Himmel ein: eine Art Paradies. Die ausbleibende Liebe wird in den Himmel projiziert: wenigstens dort erlebe ich noch einmal – in gefühlsgeladener Phantasie – die Liebe. Das Beben des Urschmerzes deutet sich an. Die Sanftheit und Weichheit des Himmels im Tod ist die Liebe, die hätte auf Erden sein müssen. Der Mangel auf Erden löst tiefen Schmerz aus, Weinen und Röcheln. (Röcheln ist das Hereinströmen der Luft bzw. dessen Verhinderung.) Das ist noch kein Urschmerz und kein Urschrei. 

Das Nicht-Sein der Liebe auf Erden bewirkt die Zerstörung, die Verdrängung bzw. die Abspaltung der wahren Person. Diese wahre Person aber gibt nie Ruhe, will ein ganzes Leben lang zurückkommen und da sein. Das geschieht aber im allgemeinen nur symbolisch, weil das Echte zu schmerzlich ist. Am Ende eines dagegen bewußten und immer weniger symbolischen Prozesses der Zulassung des Echten, der sich über Jahrzehnte hinzieht, stellt sich aber die Frage, ob auch das Ur-Trauma, ob wirklich alles – auch das Sterben – wahrgenommen und gefühlt werden, ob es – wie die Psychologen sagen – “wiedererlebt” werden soll. Es handelt sich aber nicht um ein Wiedererleben, sondern um eine Überhaupt-erst-mal-Erleben, um ein Erst-Erleben. 

C: Soll ich wirklich alles – das Sterben – ganz wahrnehmen und fühlen? Wenn die Frage affirmativ beantwortet wird, kommt es zum Urschrei. 

Dann hole ich mir beim Wahrheitsbegleiter Beistand und gehe noch mehr in mich hinein, lasse noch mehr an gefühlter Wahrheit zu – und stoße auf das Sterben selbst, d.h. wie ich genau gestorben bin: es scheint ein unaushaltbarer Luftmangel zu sein. Ich kriege keine Luft mehr. Und zwar immer dann, wenn ich dem Willen folgen will, endlich lebendig zu sein. Sowie ich echte Lebendigkeit fühle, wird dies sofort dadurch beendet, daß mir die Luft wegbleibt. Lebendigkeit löst die Erinnerung an einen Tod aus. Dies ist zu schmerzlich, weswegen man im Tod bleibt: Weil ich nicht andauernd um Luft kämpfen kann und will – führe ich ein unlebendiges und dadurch höchst unbefriedigendes Leben und mich quält von Anfang an eine aussichtslose Sehnsucht nach dem richtigen Leben. 

Im Schmerz werden oft Schreie ausgestoßen. Unter “Urschrei” wird nun der Schrei verstanden, bei dem man die Kontrolle verliert, sich die Stimme überschlägt und  ausbrechen will, kaum den Rachen verlassen kann. Das entspricht genau dem Punkt, an dem der Schmerz zu viel wurde und sich in Urschmerz verwandelte. Es ist der Beginn das Traumas, d.h. der Verdrängung. (Eine Verletzung führt im Unterschied dazu nicht zur Verdrängung, wird unmittelbar getröstet bzw. verschmerzt.) 

Bei der Ent-Drängung kommt man genau an diesen Punkt zurück, deswegen hat man beim Urschrei den Eindruck eines erstmaligen Ausbrechens der Stimme mit diesem seelischen Inhalt. 

Ein weit verbreiteter Irrtum ist es, wenn unter “Urschrei” nur ein etwas heftiger, vielleicht auch archaischer Schrei verstanden wird. Das ist grundfalsch. Der Urschrei resultiert nur aus dem gefühlten, absoluten existentiellen Elend; er findet immer nur in einem höchst konkreten und elementaren biographischen Kontext statt.

Nun bin ich aber ganz offenbar tatsächlich nicht gestorben, sondern habe irgendwie überlebt. Aber dieses Überleben habe ich nicht mitbekommen und habe daran auch keinen Anteil, kein aktives Mittun. Ein Grundgefühl in meinem Leben ist, daß ich nicht mitmachen darf in der richtigen Welt. Ich bin vom richtigen, lebendigen Leben ausgeschlossen, kam mir immer wie in einer Gruft eingesperrt vor: ein Keller, der kleine Fenster hat, die den Blick von unten auf die Straße nach oben freigeben. Unmittelbar an den kleinen, schießschartenartigen Kellerfenstern ziehen auf dem Bürgersteig Menschen vorbei, die im richtigen Leben sind. Sie sind fröhlich und ausgelassen und feiern das Leben. 

Da man auch als Neugeborener ein Interpretations- und Verständnisbedürfnis hat, kann ich nicht anders, als die Lage mit meiner Ungeeignetheit und Ungenügenheit zu erklären: es liegt an mir, daß ich mich nicht den vorbeiziehenden lebensfrohen Menschen dort draußen anschließen kann. Ich schaffe es einfach nicht, den Keller zu verlassen; ich bin ein Versager. 

D: Verschmerzen, Ankommen im Leben, Unterwindung des Todes. Aus Tod wird Leben – Liebe kommt vom Himmel auf die Erde

Jetzt kommt die wahre Stimme zum ersten mal hinter einer Mauer hervor, bricht sich durch diese durch. Im Trauma hatte sich der Hals verschlossen, weswegen die Stimme jetzt, nach dem Verschmerzen, offener, voller und tiefer wird. 

Durch den Urschrei wird der Atemweg freigelegt und es kann – endlich! – die Luft einströmen; die Atmung vertieft sich spontan. Zulassen des Urschmerzes (“Ent-Drängen”), Luftholen und das daraufhin folgende tiefe Ausatmen ist der dreitaktige Verschmerzungs-Prozeß, wobei die eigentliche Verschmerzung mit dem Ausatmen erfolgt, das mit einer Entspannung einhergeht (das kann auch physiologisch bzw. neurologisch kommentiert werden: der Parasympathikus gewinnt in diesem Moment seinen ihm gebührenden Anteil zurück.)

Jetzt kommt das wieder zum Vorschein, was hätte sein müssen bzw. das, was vom Neugeborenen erwartet wurde (was sein Bedürfnis war), um in der Welt sein zu können: Liebe. Diese kommt jetzt aus dem Himmel zurück auf die Erde und macht uns jetzt liebesfähig. 

E: Noch ist nicht wirklich “alles gut”

Weiteres verdrängtes Schmerz-Material strebt nach oben und will hinaus: Tiefer Schmerz, tiefes Weinen – aber kein Urschmerz, kein Urschrei. 

Wir zeigen diesen Abschnitt, um noch einmal den Unterschied von Schmerz und Urschmerz zu zeigen. Der Inhalt des Schmerzes ist wortlos, rein emotional, bezieht sich auf die schiere Existenz. 

F: Vom Himmel auf die Erde

Die weitere Verschmerzung bewirkt das Kommen von Liebe aus dem Himmel auf die Erde mit konkreten irdischen Menschen. Es werden Worte gesucht für die neu entdeckte Wirklichkeit. Die Sehnsucht nach Liebe verschwindet, der Druck fällt ab. Da-Sein. 

Die reale aber verdrängte Liebe der Oma kommt zu Bewußtsein. Es ist die Liebe, die mich überhaupt am Leben gehalten hat, die rettende Liebe. Diese löst…: 

G: eine nächste Welle an Schmerz aus

Diesmal wieder Urschmerz. Trauma, Verdrängung und Ent-Drängung erkennt man am Kontrollverlust der Stimme: Kontrolle bedeutet Verdrängung und Abtötung. Verlust dieser Kontrolle ist Ent-Drängung und Vitalisierung. Kontrolle und Kontrollverlust sind antagonistisch: Versteinerung, Vereisung gegen Öffnung. Entsteinung wird als Aufbrechen empfunden. Danach erfolgt Erweichung.

H: Reflexion und Ankunft in der Wirklichkeit

Das weitere, voll bewußte Erleben des Urschmerzes (also das erstmalige Erleben, kein “Wieder-Erleben”) wird reflektiert. “Unversehens” bedeutet Kontrollverlust, es überkommt einen plötzlich. Jedes Zeichen von Liebe (Lächeln), alles, was das Leben ausmacht und lebendig macht, ist verdrängt worden aus Angst vor dem Urschmerz, “berührt so sehr”. 

Die Verschmerzung bewirkt wieder Ankunft im Da-Sein und der Wegfall von Unbehagen: die Welt ist gut und besteht aus Liebe. Die Sanftheit des Himmels kommt nun auf die Erde. 

I: Durch den Hals strömt zum ersten mal bewußt das Leben

Der Luftmangel war der Tod: das war der Ausgangspunkt der Stunde der Tiefenwahrheit. Durch Verschmerzen wird die Atmung zum ersten mal wirklich wahrgenommen. Die Atmung ist aber nicht etwa Zuführung von Sauerstoff, sondern sie ist wirklich gefühltes Leben, und Leben ist Liebe. Die Öffnung des Atmungsweges (Hals) wird unmittelbar erlebt: der Hals wird in seiner Funktion wahrgenommen und vitalisiert sich direkt. Vital heißt aber schön und liebevoll.

Das Video basiert auf der Stunde der Tiefenwahrheit vom 16. Mai 2013